Montag, 21.10.2024

Trend «Regenerative Food»

In der Trendforschung zum Essen der Zukunft ist der Begriff «Regenerative Foods» beziehungsweise «Regenerative Landwirtschaft» in aller Munde. Tim Schmid (27) vom Department für Bodenwissenschaften des Forschungsinstituts für biologischen Landbau Schweiz (FiBL) in Frick AG erklärt, was dahintersteckt.

Woher stammt der Begriff «Regenerative Landwirtschaft»?
Er tauchte schon in den 1970er-Jahren in den USA auf, hat sich aber erst im vergangenen Jahrzehnt im deutschsprachigen Raum etabliert. Zurzeit kann man von mehreren hundert Betrieben in der Schweiz ausgehen, die versuchen, regenerative Ideen auf ihrem Land umzusetzen. Sie sind in verschiedenen Vereinen organisiert wie «Regenerativ Schweiz», «Agricultura Regeneratio» oder «Regenerate Forum».

Was sind Beispiele für Praktiken der regenerativen Landwirtschaft?
Ein wichtiges Element ist der Einsatz von Gründüngungen. Nach der Ernte einer Hauptkultur wird der Boden nicht brach gelassen, stattdessen werden verschiedene Pflanzen angesät. Diese werden später nicht geerntet, sondern in den Boden eingearbeitet. Das hat viele positive Aspekte: Wenn die Gründüngung blüht, steht sie den Insekten als Nahrung zur Verfügung. Durch ihre Wurzelausscheidungen ernähren sie Mikroorganismen im Boden. Sie schützen den Boden vor Überhitzung und Erosion, können Nitratauswaschung verhindern und Unkräuter unterdrücken. Andere typische Praktiken in der Schweiz sind der Einsatz von mikrobiellen Biostimulanzien wie Komposttee, möglichst flache Bodenbearbeitung und Düngung mit Mikronährstoffen.

Werden diese Praktiken nicht auch in der Biolandwirtschaft gebraucht?
Der Einsatz von Gründüngung beispielsweise wird in der Biolandwirtschaft schon lange betrieben, jedoch in der regenerativen Landwirtschaft vielleicht noch stärker eingesetzt. Generell: Die Praktiken der regenerativen Landwirtschaft werden nicht von allen regenerativen Landwirtinnen und -wirten gleich eingesetzt. Und es gibt auch Biolandwirtinnen und -wirte, die sich nicht als regenerativ bezeichnen und trotzdem einzelne dieser Techniken einsetzen. Biolandwirte können also regenerativ sein und regenerative Landwirte können Bio sein. Wer aber Bio ist, hat genau festgelegte Kriterien zu erfüllen.

Der Begriff ist noch nicht klar definiert?
Die Bewegung ist jung, hat verschiedene Strömungen und es wird noch viel ausprobiert. Das Ziel der meisten regenerativen Landwirtinnen und -wirte ist, gesunde Böden aufzubauen. Dabei werden unterschiedliche Wege beschritten. Der Begriff entstand ursprünglich als Weiterentwicklung von Bio, mit dem Ziel, nicht «nur nachhaltige » Landwirtschaft zu betreiben, sondern den Zustand der Ökosysteme gar zu verbessern. Es gibt aber auch regenerative Landwirtschaftsbetriebe, die beispielsweise Herbizide einsetzen, was im Biolandbau nicht erlaubt ist. Auf der anderen Seite strebt die Biolandwirtschaft ebenfalls gesunde Böden an. Was genau die Unterschiede sind, und wie man sie benennen soll, dafür gibt es zurzeit keine Antwort. Es gibt keine Organisation, welche als Sprachrohr der ganzen Bewegung dient.

«Ernährung und Landwirtschaft gemeinsam denken»

Gibt es Kritikpunkte gegenüber der regenerativen Landwirtschaft?
Die Kritik gilt eher den Konzernen, die versuchen, den Begriff für sich zu vereinnahmen. Agrochemiekonzerne versuchen vermehrt die Biolandwirtschaft zu schwächen und den Einsatz chemisch-synthetischer Pflanzenschutzmittel zu fördern. Nahrungsmittelkonzerne nutzen es aus, dass der Begriff im Gegensatz zu Bio nicht definiert und rechtlich geschützt ist und versuchen sich mit dem Begriff ein grünes Image zu geben. Sie fördern dann einzelne Massnahmen, welche ein Schritt in die richtige Richtung sind und verkaufen es als regenerativ und als gesamtheitliche Lösung für den Klimawandel. Unter regenerativ stellt man sich aber viel mehr vor als diese einzelnen Massnahmen.

Wie hängt der Begriff mit «Regenerative Food» zusammen?
Der Begriff regenerativ taucht vermehrt auch ausserhalb der Landwirtschaft auf. So gibt es zum Beispiel regenerativen Tourismus, regenerative Medizin oder eben auch «Regenerative Food». Vielleicht sind die Leute des Begriffes «nachhaltig» überdrüssig. Die Ernährung mit der Landwirtschaft gemeinsam zu denken, macht aber Sinn. «Regenerative Food» erscheint zurzeit vor allem im eher urbanen Umfeld in der Gastronomie. Diese Restaurants beziehen ihre Lebensmittel von regenerativen Landwirtschaftsbetrieben.

Welche Möglichkeiten haben Gastronominnen und Gastronomen, sich über regenerative Landwirtschaft zu informieren?
Der Verein «Soil to Soul» setzt sich für die Verbindung zwischen Gastronomie und regenerativer Landwirtschaft ein. Hierfür organisiert er Events zur Information, Vernetzung und Förderung des direkten Handels. Er empfiehlt auch Restaurants, in denen man sich bodenbewusst ernähren kann. Wer sich einlesen möchte, kann das auf der Webseite des Vereins «Regenerativ Schweiz» tun. Der Verein repräsentiert einen grossen Teil der regenerativen Szene in der Schweiz.

Text: Simone Knittel
Foto: zVg, Getty Images