Montag, 27.05.2024
Simmentaler Vieh
Irgendwie wirken die Simmentaler Kühe auf dem Hof von Ueli Schärz (47) in Aeschi BE wie nicht von dieser Welt. Sondern fast wie auf einer Postkarte aus dem vorletzten Jahrhundert. Sie haben – nicht nur beim Aussehen – nichts mit den heutigen Hochleistungskühen zu tun. Dafür sind sie ursprünglich, angepasst und... schweizerisch. Den Sommer verbringen die Tiere sozusagen als Kurgäste auf schier endlosen Alpweiden, tun sich an den Kräutern gütlich und lassen sich je nach Lust und Laune vom mitlaufenden Stier begatten. Künstliche Besamung wäre zwar nicht verboten, ist aber nicht sehr gängig. Schärz und die allermeisten der rund 320 Simmentaler-Züchter sind stolz auf den Hornschmuck ihrer Tiere, obwohl enthornen nicht verboten wäre.
«ES LOHNT SICH»
Diese Bauern erwarten auch keine Superleistungen von 10 000 oder mehr Liter Milch pro Jahr. Eine Simmentalerin gibt rund 6000 Liter. Als ob Schärz die wichtigste Frage des Journalisten schon im Voraus geahnt hätte, sagt er: «Ja, es lohnt sich trotzdem auch wirtschaftlich. Es ist eine Zweinutzungsrasse und wird nicht – wie heute üblich – einseitig auf Fleisch oder Milch gezüchtet.» Und weil sie eben nicht hoch- und überzüchtet ist, hat der Vieh-Arzt keine grosse Freude an ihr – es braucht ihn kaum. Ueli Schärz und auch seine Frau Brigitte freuen sich umso mehr. «Es sind stolze, selbstbewusste Tiere», sagt die Bäuerin. «Mit ihrem weissen Kopf und den geschwungenen Hörnern sind sie auch wunderschön – und sie wissen es.» Ihr Mann ergänzt: «Schönheit heisst in diesem Fall eben auch Gesundheit, Robustheit, ein gutes Fundament, einen kräftigen Körperbau und das alles ist gleichbedeutend mit einem langen Leben.» Eine Hochleistungskuh muss sich bereits nach zwei, drei Kälbern mit vier, fünf Jahren Gedanken über den Metzger machen. Dieser hätte aber lieber nichts mit ihr zu tun, weil kaum Fleisch am Knochen ist. Dagegen leben Schärzs Simmentalerinnen 12, 15 Jahre und mehr. Und geben jedes Jahr ein Kalb. Zudem sind sie als Schlachtvieh sehr beliebt. «Ich kenne einen Metzger aus dem Welschland. Der kommt immer an unseren Schlachtviehmarkt», erzählt Schärz. «Ich fragte ihn einmal im Spass, ob es denn bei ihm kein Schlachtvieh gebe.» Doch, doch, habe der Metzger gesagt. Aber eben keines mit so gutem Fleisch. Schön marmoriert, saftig und schmackhaft. Die Simmentaler Original Fleischprodukte, wie auch der Käse sind bei Transgourmet/Prodega erhältlich.
ANGEPASST AN HIESIGE BEDINGUNGEN
Die Rasse wird im 13. Jahrhundert zum ersten Mal urkundlich erwähnt. «Sie hat sich seither perfekt an das Grasland Schweiz adaptiert. Inzwischen ist sie sozusagen zum Inbegriff der Schweizer Kuh geworden», sagt Schärz. «Die Tiere leben grossmehrheitlich von dem, was bei uns wächst: also Gras, Heu und Kräuter. Kraftfutter brauche ich kaum.» Und was auch ein wichtiger Punkt ist: Simmentalerinnen sind extrem berggängig und sie kommen darüber hinaus perfekt mit dem hiesigen Klima zurecht. «Wenn es dann im Sommer mal auf meiner Alp auf 2400 Metern fünfzig Zentimeter Schnee hinwirft, macht das unseren Rindern nichts aus», so der Berner Oberländer.
DIE TRADITION LEBT WEITER
Ueli und Brigitte Schärz haben vier gemeinsame Kinder, ein Mädchen und drei Buben – und alle drei Buben wollen Bauer werden. «Die beiden Ältesten haben wir ganz bewusst in die Ausbildung in Betriebe geschickt, die Intensiv-Landwirtschaft betreiben», erzählt Brigitte Schärz. Sie sollten sehen, dass es auch andere Arten des Bauerns gibt. «Als sie zurückkamen, war aber klar, dass sie am Original-Simmentaler-Vieh und der damit verbundenen Tradition und Kultur festhalten wollen.» Das Ehepaar Ueli und Brigitte Schärz muss den Entscheid seiner drei Söhne nicht kommentieren: Denn stolzere und vor allem zufriedenere Eltern hat man kaum je gesehen.
UELI SCHÄRZ
Hobby: Schwingsport
Bevorzugte Musik: Soundtracks von Hans Zimmer
Lesestoff: Alles über Kühe
Liebstes Essen: Entrecôte von einem Simmentaler-Rind
Traumreise-Ziel: Neuseeland mit der ganzen Familie
Text: Franz Bamert
Foto: David Birri