Montag, 17.03.2025

Innovativer Chef

Tartar mit Nori und Tortelloni mit Kimchi – Küchenchef Claudio Radocchia mischt Italiens Klassiker gekonnt mit asiatischen Aromen. Die experimentellen Gerichte im Restaurant «Itaki» in Feusisberg SZ (14 Gault-Millau-Punkte) stossen auf Neugier und finden Anklang.

Vor bald zwei Jahren hat das «Itaki» auf dem Feusisberg seine Tore geöffnet. Erste Bilanz?

Wir sind zufrieden. Heute war es ein Ruhiger Tag, aber das ist normal im Frühjahr. Sonst sind wir gut gebucht.

 

Wie kamen Sie auf das Konzept, das Fine Dining und Fusionsküche beinhaltet?

Ich bin während meiner Zeit im Londoner Restaurant «Roka» auf den Geschmack gekommen. Die italienische Küche gehört zu meinem Repertoire, sie ist aber sehr klassisch, was mich nicht mehr so sehr interessierte. Von asiatischer Fusionsküche war ich sofort fasziniert. Mittlerweile habe ich 12 Jahre Erfahrung, zwischenzeitlich habe ich unter anderem in Zürich im «Alice Choo», im «Hato» sowie als Private Chef gearbeitet.

 

Was faszinierte Sie an der asiatischen Küche, als Sie in London zum ersten Mal damit arbeiteten?

Der grosse Respekt vor dem Essen, die Disziplin und Sorgfalt, mit der jedes Lebensmittel behandelt wird und der Fokus, den jeder Einzelne meines damaligen Teams seiner Arbeit schenkte.

 

Was sind Herausforderungen bei dieser Küche?

Es ist schwierig, die richtigen Fachkräfte zu finden, welche die Fusionsküche nach meinen Vorstellungen umsetzten können. Wenn du Angestellte aus Asien holst, gibt es die Sprachbarriere. Und in Europa sind die wenigsten Küchenchefs auf die asiatische Küche spezialisiert. Und diejenigen, die es sind, kommen aus Europas Grossstädten und haben hohe Erwartungen an die Schweiz. Aber hier ist vieles anders als beispielsweise in London. Dort ist oft mehr Budget vorhanden für eine komplette Brigade. In der Schweiz sind die Kosten höher, als Küchenchef packt man überall an und ist eher ein Teamplayer.

 

Was sind andere Herausforderungen in der Schweiz?

Die Gäste wissen ziemlich genau, was wie viel kostet, und erwarten entsprechende Preise. Das setzt dir in deiner Küche bei Experimenten und Innovationen gewisse Grenzen. Teilweise sind die Vorstellungen der Gäste auch sehr fix. Beispiel italienische Küche: Man kennt gewisse Gerichte und möchte genau diese bestellen. In London überlässt man die Menü-Gestaltung dem Küchenchef. Aber solche Herausforderungen sind einfach «daily Business» und gehören dazu. Ich bin nicht nur Küchenchef, sondern auch Unternehmer und schaue alles immer aus verschiedenen Blickpunkten an.

 

Sie wagten im Jahr 2023 den Sprung und Eröffneten mit Ihren Geschäftspartnern «Itaki», kurz für «Italian Asian Kitchen».

 

«Als Küchenchef möchte man immer noch mehr.»

 

Einfach erklärt, es ist ein italienisches Restaurant mit asiatischen Elementen. Ein Gang im «Omakase Sharing Menü» sind immer vier Gerichte, eines ist eher bekannt, eines ist weniger bekannt und zwei sind experimentell. Ein Beispiel für ein Gericht, das lange sehr beliebt bei den Gästen war, ist das Beef Carpaccio, das mit Teriyaki anstatt Balsamico glasiert und vor den Augen des Gastes flambiert wurde. Ein anderes Beispiel ist unser Beef Tartar mit geröstetem Knochenmark, abgeschmeckt mit einer Sauce aus karamellisierten Zwiebeln, Sojasauce, grünem Apfel und Reisessig, dazu Pancake aus geröstetem Nori.

 

Und wie kann ein sehr experimentelles Gericht aussehen?

Einer unserer Starter war inspiriert vom japanischen «Chawan Mushi», einem salzigen Eierpudding – ähnlich einer Crème Brulée – mit Königskrabbe und Yuzu Gel. Nun, in Europa kennt man die Kombination von Ei und Meeresfrüchten weniger, in Asien ist sie verbreitet. Wir haben aus dem Hirn der Königskrabbe eine Beurre Blanc gemacht, die sehr aromatisch nach Fisch roch. Für einige Gäste war das Gericht zu ungewöhnlich. Dazu muss man wissen, dass Rückmeldungen der Gäste sehr variieren – manche wünschen sich mehr asiatische Elemente, andere fühlen sich auch mal gefordert.

 

Wo finden Sie Gemeinsamkeiten in der italienischen und asiatischen Küche?

Ich stosse immer wieder auf Parallelen. Nur schon Parmesan und Miso sind für mich ähnlich, nicht im Geschmack, aber in der Weise, wie sie fermentiert werden und starkes Umami entwickeln. Während meiner letzten Reise durch Thailand ist mir auch aufgefallen, wie in Restaurants alle Speisen gleichzeitig auf den Tisch kommen und dann geteilt werden – wie bei einer italienischen Tavolata. Thais essen viele Nudeln, genau wie Italiener und Italienerinnen. Beide Küchen lieben frische Produkte und nutzen viele Kräuter wie Thai-Basilikum respektive Basilikum oder Säure wie Limette oder Zitrone.

 

Sie haben aktuell 14-Gault-Millau-Punkte – fühlen Sie sich in der Schweiz genügend wertgeschätzt?

Als Küchenchef möchte man immer mehr (lacht). Aber die Gault-Millau-Punkte kamen schnell, was uns freute. Und die Michelin-Sterne? Einerseits wünscht man sich das, andererseits sehe ich auch die Verantwortung. Ich möchte mein Team mit Rücksicht führen und nicht unendlich pushen, nur für Auszeichnungen. Das Wichtigste bleibt, dass das Geschäft läuft, mein Team zufrieden ist und meine Gäste glücklich sind.

 

CLAUDIO RADOCCHIA

Alter: 32
Freizeit: Habe ich nur wenig, aber dann Sport. Und hoffentlich zukünftig mehr Reisen.
Das koche ich zuhause: Gerichte aus Asien

 

 

Text: Simone Knittel
Foto: Christoph Kaminski