Montag, 30.09.2024

Glutenfreie Gastro: Eine Chance?

Ein falscher Brotkrümel kann für Bauchweh sorgen: Auswärtsessen ist für Zöliakie-Betroffene voller Hindernisse. Angela Borer, Gründerin von «Guide Celiac» und Vorstandsmitglied der IG Zöliakie, nimmt sich der Herausforderung an.

Was sind die Unterschiede zwischen Zöliakie, Glutenallergie oder weizenfreier Ernährung?
Schweizweit sind etwa ein Prozent der Menschen von Zöliakie betroffen, einer Glutenunverträglichkeit. Das ist eine Autoimmunkrankheit, die den Verdauungstrakt langfristig schädigen und schwerwiegende Folgen haben kann. Auslöser dafür ist das Gluten, welches im Weizen, aber auch in anderen Getreidesorten wie Roggen, Dinkel, Hafer, Gerste und mehr enthalten ist. Oft reichen Spuren davon, um Beschwerden auszulösen. Laut Umfragen und Studien essen bis zu zehn Prozent der Bevölkerung aus diversen Gründen kein Gluten, sei es aufgrund einer Diät, einer Krankheit oder einer Allergie. Ich sage immer, dass Restaurants beim Umgang mit Gästen, die – aus welchen Gründen auch immer – kein Gluten verzehren, stets von Zöliakie-Betroffenen ausgehen sollen. Denn dann sind wir auf der sicheren Seite. Das bedeutet allerdings einige Anpassungen in Küche und Service, welche aber durchaus auch machbar sind.

Ist es nicht frustrierend für Köchinnen und Köche, wenn sie ein glutenfreies Menü kochen und der Gast am Schluss doch noch vom normalen Kuchen probieren will?
Solche Fälle gibt es sicher. Aber wenn man aufgrund eines solchen Gastes keine glutenfreien Optionen mehr anbietet, so hilft man den wirklich an Zöliakie leidenden Personen auch nicht.

Welche Anpassungen braucht es konkret in einem Restaurant?
Wie überall ist hygienisches Arbeiten sehr wichtig. Für Zöliakie-Betroffene können beispielsweise Mehlstaub, kontaminiertes Pasta-Wasser oder Frittierfett äusserst unangenehme Folgen haben. Viele Betriebe nutzen separates oder gut gereinigtes Kochgeschirr und richten das Essen dort an, wo das Risiko für Kontamination klein ist, zum Beispiel beim Bereich für Salat. Manche Küchen erlauben auch einen separaten Arbeitsplatz. Glutenfreie Produkte sollen immer gut markiert und dicht verschlossen sein. Der Service muss ebenfalls wissen, wer der glutenfreie Gast ist, entsprechend kompetent und aufmerksam sein – auch in stressigen Zeiten. Das klingt jetzt sehr aufwändig, aber ich spreche oft mit Fachpersonen, die mir versichern, dass es gut machbar ist, wenn die Prozesse eingespielt sind. Man muss auch nicht zwingend die ganze Küche umstellen. Es reicht, einige gute Optionen zu haben und diese sauber anzubieten.

Was ist für die Gastronominnen und Gastronomen eine Motivation, solche Menüoptionen anzubieten?
Die Inklusion aller ist ein wichtiges Anliegen. Nicht vergessen sollte man, dass Zöliakie-Betroffene oft Freunde mitnehmen, wenn sie essen gehen – und zwar auch «normale» Gäste. Das kann sich mit der Zeit durchaus finanziell auszahlen. Wer sich bewährt und einmal in unserer Community als gut und auch verlässlich herumgesprochen hat, gewinnt treue Gäste.

«Wer sich bewährt, gewinnt treue Gäste.»

Sie haben den «Guide Celiac» gegründet, um mehr Sichtbarkeit zu schaffen.
Es ist ein Verzeichnis, in das Restaurants sich eintragen lassen können, sodass Zöliakie-Betroffene einen Überblick über geeignete Restaurants, Bäckereien und Cafés in der Schweiz erhalten. Auf unserer Webseite finden sich zudem diverse Informationen rund um die glutenfreie Küche. Demnächst bieten wir einen Lehrgang für Gastronomiefachkräfte an (siehe Box). Sicher hören Sie immer wieder von Betrieben, die schlicht keine Kapazität haben, ihr Angebot zu erweitern. Dafür habe ich Verständnis, nicht jeder Betrieb hat die dafür erforderlichen Ressourcen. Mir ist lieber, ein Restaurant sagt direkt, dass es nicht möglich ist, uns zu bewirten, statt dass es dann mit fehlendem Wissen oder zu wenig Sorgfalt geschieht.

Wie gut ist das bestehende Angebot an Restaurants für Menschen mit Zöliakie?
Es gibt gute Optionen, aber es hat noch viel Luft nach oben. Viele Betriebe trauen sich nicht an die Thematik heran, obwohl glutenfreie Gastronomie gut machbar ist. Bis anhin hat ein entsprechendes Schulungsangebot gefehlt, all das steht aber seit diesem Jahr zur Verfügung. Ich sehe ein grosses Bedürfnis und viel Potential.

ANGELA BORER
Alter:
46
Lieblingsessen: Pad Thai und glutenfreie Pizza
Hobbies: Chorsingen, draussen sein und auswärts essen

Lehrgang für glutenfreie Gastronomie
Ab Herbst 2024 bietet Guide Celiac einen Lehrgang für glutenfreie Gastronomie an in Zusammenarbeit mit der IG Zöliakie und der Hotel & Gastro Union sowie dem Lernplattformanbieter WIGL. Der Onlinekurs mit optional kurzer Praxisschulung bietet Gastronominnen und Gastronomen Wissen und Werkzeug im Umgang mit Zöliakie-Betroffenen von A bis Z an. 

Text: Simone Knittel
Foto: Daniel Desborough